Viele Menschen kamen zu der Gedenkveranstaltung zusammen.

Verlegung der ersten „Stolpersteine“ in Sankt Augustin

Im Rahmen seines einzigartigen Kunstprojekts „Stolpersteine“ macht der Künstler Gunter Demnig mit inzwischen über 100.000 in den Boden eingearbeiteten kleinen Messingtafeln auf die Schicksale von Menschen aufmerksam, die in der Zeit des Nationalsozialismus gedemütigt, verfolgt, vertrieben, gefoltert, ermordet oder in den Suizid getrieben wurden. Die Gedenktafeln werden vor dem letzten frei gewählten Wohnort dieser Personen in den Gehweg eingearbeitet. In Sankt Augustin wurden nun erstmals drei Stolpersteine für NS-Opfer durch Gunter Demnig verlegt.

Nachdem in Sankt Augustin viele Jahrzehnte kaum konkrete Hinweise auf NS-Opfer im heutigen Stadtgebiet bekannt waren, können seit kurzem neue zentrale Quellen genutzt werden. Diese waren der Ausgangspunkt für eine akribische Auswertung zentraler Bestände in zahlreichen Archiven und Dokumentationsstellen durch den Historiker Mike Bargel im Auftrag des Stadtarchivs Sankt Augustin seit Herbst 2022. Dabei konnten letztlich drei Personen ermittelt werden, derer nun mit einem Stolperstein gedacht wird.
Im Rahmen einer Gedenkveranstaltung dankte Bürgermeister Dr. Max Leitterstorf den an dem Projekt Beteiligten und betonte die Bedeutung des Erforschens und Erinnerns der Gräueltaten der NS-Diktatur. Dies sei gerade in der heutigen Zeit unabdingbar, in der Hass und Hetze sowie nationalsozialistisches Gedankengut in Teilen der Gesellschaft wieder zunehmen. Er hoffe, „dass die Stolpersteine von vielen Menschen wahrgenommen werden und dazu mahnen, heute und künftig gemeinsam und entschlossen für die Menschenrechte einzutreten. Denn es gilt: Nie wieder ist jetzt!“

Viele Menschen kamen zu der Gedenkveranstaltung zusammen.
Viele Menschen kamen zu der Gedenkveranstaltung zusammen.
Stadtarchivar Michael Korn gab einen kurzen Überblick zu den historischen Recherchen.
Stadtarchivar Michael Korn gab einen kurzen Überblick zu den historischen Recherchen.

Stadtarchivar Michael Korn gab einen kurzen Überblick zu den historischen Recherchen im Vorfeld der Stolpersteinverlegung, bevor Schülerinnen und Schüler der Oberstufen-Leistungskurse im Fach Geschichte an der Fritz-Bauer-Gesamtschule Kurzbiographien der Eheleute Karolina und Johann Kurscheidt sowie von Elisabeth Nicolay vortrugen und weiße Rosen an den Verlegestellen der Stolpersteine ablegten.
Karolina Kurscheidt, geb. 1898 als Karolina Herz in Geislar, war eine zum Katholizismus konvertierte Jüdin und seit 1928 verheiratet mit Johann Kurscheidt, geb. 1901 in Obermenden. Sie lebten in einer (ab 1938 sogenannten) „privilegierten Mischehe“, wodurch Karolina Kurscheidt einige der zahlreichen, teils existentiellen Repressionen und Drangsalierungen gegenüber „Volljuden“ nicht zu erdulden hatte und überleben konnte. Die Eheleute wurden im September 1944 zwangsweise umgesiedelt und zum „geschlossenen Arbeitseinsatz“ verbracht, Karolina Kurscheidt nach Hessisch Lichtenau und Johann Kurscheidt nach Witzenhausen (beide Orte liegen heute im Werra-Meißner-Kreis). Beide überlebten das Dritte Reich und kehrten im Juni 1945 nach Menden zurück, wo sie bis zu ihrem Tod 1970 bzw. 1980 lebten. 1944 wohnten sie in Menden, Am Turmhof 3 (heute: Von-Galen-Str. 3).

Elisabeth Nicolay, geb. 1919 in Obermenden, ledig, wurde wegen Arbeitsvertragsbruchs mehrfach bestraft. Nach Verbüßung mehrerer Freiheitsstrafen wurde sie 1943 in das Arbeitshaus Brauweiler überstellt und kam von dort ab Herbst 1944 zum Arbeitseinsatz in die Konzentrationslager Ravensbrück und Flossenbürg (Außenlager Dresden Universelle Maschinenfabrik). Ihre beiden letzten Stationen waren wahrscheinlich das KZ-Außenlager Mockethal-Zatzschke (bei Pirna) und Königstein. Im April 1945 wurde sie letztmalig dort gesehen, danach verliert sich ihre Spur und sie galt als verschollen. 1967 wurde sie für tot erklärt. Sie wohnte 1943 in Menden, Hindenburgstr. 81 (heute steht dort das Haus Siegstr. 79).
Die Stolpersteine setzen ein Zeichen. Sie sind Bestandteil der Bemühungen, die Geschichte Sankt Augustins während der Nazi-Diktatur aufzuarbeiten und das Andenken an die Verfolgten auch für künftige Generationen zu bewahren.

Informationen finden Sie auch in dieser Broschüre.

Künstler Gunter Demnig verlegte inzwischen über 100.000 „Stolpersteine“ im Rahmen seines einzigartigen Kunstprojekts.
Künstler Gunter Demnig verlegte inzwischen über 100.000 „Stolpersteine“ im Rahmen seines einzigartigen Kunstprojekts.

Das Projekt wird vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Förderprogramm Demokratie leben! gefördert.

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